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Kommentare: 3
  • #3

    Rolf Freiberger (Montag, 28 Januar 2019 17:53)

    Was tun, wenn ein Kompromiss nicht möglich ist, wenn es nur ein Entweder Oder gibt. Darüber diskutieren zwei Paare, deren halbwüchsige Söhne in ein Verbrechen mit tödlichem Ausgang verwickelt sind, in einem Nobelrestaurant. Im Gegensatz zu dem niederländischen Originaltitel "het diner" (Das Abendessen), zeigt der Titel "Angerichtet" in mehrdimensionaler Hinsicht eine Dramatik auf, die damit treffend bezeichnet wird. Ausgangslage des Romans ist die Tötung einer wehrlosen Obdachlosen durch zwei Jugendliche, die Söhne der zwei Paare, die nicht ermittelt werden können. Nur die Eltern wissen durch ein ins Internet gestelltes Video davon, dass es ihre Söhne sind. Ihre Zukunft soll dadurch nicht verbaut werden.
    Angerichtet werden die köstlichen Kleinigkeiten des Menüs, präsentiert mit der manchmal verstörenden Poesie der Sterne-Gastronomie. Angerichtet wurde ein schweres Verbrechen und noch immer wird etwas angerichtet in den betroffenen Familien. Als gegen alle Erwartungen ausgerechnet der erfolgreiche Politiker Serge erklärt, von seinen Ämtern zurücktreten zu wollen und damit die Verurteilung der Kinder heraufbeschwört, eskaliert die Situation und mündet in einem weiteren Verbrechen. Serge wird Opfer eines Attentats und schwer verletzt. Er kann seine Botschaft nicht mehr übermitteln.

    Der Autor versteht es hervorragend, die menschlichen Abgründe zu beschreiben, zu denen anscheinend ganz normale Menschen fähig sind, wenn sie ihre geplanten Intentionen nicht verwirklichen können. Die Charaktere verlieren im Laufe des Romans zunehmend ihre vermutete Identität und verwandeln sich in Personen, die aus dem Rahmen der Erwartungen fallen. Häppchenweise serviert Herman Koch charakterliche Eigenarten. Er lässt uns subtil hinter die Fassaden blicken, was letztlich zu dem logischen Schluss führen muss, dass die Personen sich nicht wirklich verändert haben, sondern erst jetzt in der selbstgebauten Falle ihre wahre Identität offenbaren.

    Eine Spannung, die langsam aufgebaut wird, und den Leser bis zum Schluss im Ungewissen lässt. Der Roman enthält großen Interpretationsspielraum und damit viel Diskussionsgrundlage für die Gespräche.

  • #2

    heinz-werner meyer (Dienstag, 20 November 2018 18:01)

    Es ist eine gute Sache,wenn mehrere Leute das gleiche Buch lesen und sich darüber unterhalten (können)
    "angerichtet" greift mehrere Themen auf,die Eltern berühren,beschäftigen...,an denen sie nicht vorbeikommen.
    Als Vater von zwei Söhnen weiß ich,dass Eltern,insbesondere Mütter,dazu neigen,die eigenen Kinder als gut,unschuldig ....einzuschätzen,auch wenn sie insgeheim Zweifel haben.
    Eltern halten die Hand über ihre Kinder.
    Inwieweit dies gerechtfertigt und vertretbar ist,ist die Frage.
    Das wird in dem Buch gut angesprochen.
    Der Restaurantbesuch ist mir persönlich etw. zu lang geraten,wobei es hierbei natürlich auch um die Problematik geht.
    Um die Obdachlosenproblematik zu behandeln,müsste Herr Koch noch ein weiteres Buch schreiben,wenn noch nicht geschehen.

    Heinz-Werner Meyer

  • #1

    Brigitte Mielke, Bochum (Samstag, 29 September 2018 10:35)

    Das Lesen von Herman Kochs Buch "angerichtet" fiel mir zunächst schwer. Der Einstieg in die Erzählung irritierte mich insofern, als dass der Schauplatz im Restaurant so "banal" geschildert wurde. Je mehr Hintergründe sich offenbarten, desto interessanter wurde es. Die Tat an sich ist so furchtbar, dass es mir eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Und die Familie untereinander - wie im "richtigen" Leben! Unglaublich intensiv die Beschreibung der Reaktionen der Eltern, das geplante Vorgehen, die Hilflosigkeit; kann ich alles total nachvollziehen.
    Ein Roman, der mich im Endeffekt gefesselt und berührt hat, denn auch ich habe manche "Taten" meiner Kinder schöngeredet, wobei nichts annähernd so gravierend war wie die im Buch beschriebene.
    Eine tolle Leseerfahrung!

    Brigitte Mielke, Bochum
    Erzieherin